(c) Apollonia Theresa Bitzan
Bent [bent]: gebeugt, gebrochen / abwertend: schwul
Berlin, 1934, der Morgen nach dem sogenannten "Röhm-Putsch": Die systematische Verfolgung homosexueller Männer durch das Nationalsozialistische Regime beginnt. Max und Rudy flüchten vor der Gestapo, tauchen unter, werden verraten, festgenommen und in das KZ Dachau gebracht. Rudy stirbt noch auf dem Transport, Max wird an die Grenzen seiner Moral getrieben, um zu überleben. Er lernt den Mithäftling Horst kennen, der den rosa Winkel trägt, der ihn als "175-er" ausweist, als Homosexuellen. Mit ihm versucht er, Humanität, Vertrauen, Zuneigung und Sex in dieser menschengemachten Hölle zu bewahren; versucht, zu überleben. Doch Fürsorge - oder schlimmer gar, Liebe - unter Männern wird nicht geduldet.
Bent wurde 1979 in London uraufgeführt. Das Stück brach mit den damaligen Konventionen der closet-Repräsentation, indem es die homosexuelle Liebe und Erotik ausstellte und zelebrierte. Es erzählt von der schwulen Subkultur der 1930er Jahre in Berlin ebenso wie von ihrer Zerstörung durch die Nazis. Homosexuelle wurden kriminalisiert, unter dem Vorwand der "Umerziehung" inhaftiert, gefoltert und ermordet. Aus dem Krieg ging eine Gesellschaft hervor, die diese Opfergruppe nach 1945 nicht befreite und nicht anerkannte, sondern weiterhin strafrechtlich verfolgte.
2022, 80 Jahre später, klafft in Deutschland und Österreich immer noch eine kollektive Gedächtnislücke, wenn es um die strafrechtliche Verfolgung von queeren Menschen in der NS-Zeit, dem damit verbundenen Terror und dem jahrelangen Schweigen danach geht. wirgehenschonmalvor präsentieren eine geschichtsbewusste, aktualisierte Lesart von Bent, reichern es mit Erkenntnissen der Forschung an und fragen: Was ist Verfolgung? Wer sind die Opfer? Wie geht angemessenes Erinnern? Als deutsch-österreichisches Kollektiv erzählen sie diese Geschichte nicht nur aus Opferperspektive, sondern suchen die Auseinandersetzung mit der Täterschaft, um dabei ohne Angst vor dem Schmutz ein forderndes Unbehagen zu beschwören, abseits von Betroffenheit und Versöhnung. Wie stellen wir heute einen Nazi dar, ohne ihn als lächerlich gewordene Figur aus einer vergangenen Zeit hinzunehmen? Wie können wir Gewalttaten im Konzentrationslager auf der Bühne offenen Auges verhandeln, ohne zu reproduzieren? Bühne, Kostüme und Musik - immer konkret, niemals historisch - erschaffen eine düster-fantastische Welt, in die sich das Böse mühelos einnistet. In Matthias Köhlers Regie spiegelt sich die Synergie von inhaltlicher Zuspitzung und ästhetischer Überhöhung wider, die mit popkulturellen Zitaten und tragisch-komödiantischer Präzision das Publikum mitnimmt.
(c) Lara Popp / Apollonia Theresa Bitzan
wirgehenschonmalvor ist ein Kollektiv rund um den Regisseur Matthias Köhler, das sich in seiner Arbeit mit verschiedenen Formen von Gewalt, falsch verstandenen Maskulinitätsidealen, Misogynie, Homophobie und queer*politischen Themen auseinandersetzt. Nach der erfolgreichen Trilogie rund um Toxic Masculinities (Yodo Oida, Tom à la ferme und Fight Club Fantasy) widmet sich das Kollektiv mit Bent nun der Geschichte struktureller Gewalt an sexuellen Minderheiten.
"Eine Inszenierung, die den historischen Stoff nah an uns heranzoomt. [...] Ein Theaterabend mit Geschichtsbewusstsein am Puls der Zeit." (Profil)
"Nicolas Streit und Kai Götting beeindrucken mit nuancenreichem Spiel. [...] Ein komplexer Theaterabend, der sich an die Darstellung von Gewalt und Liebe wagt." (Falter)
"Ohne in Fettnäpfchen zu tappen, spielt der Abend trotz des ernsten Anliegens auch selbstbewusst augenzwinkernd mit Klischees. [...] Streit und Götting sind toll besetzt, fungieren als sympathisches Duo mit der richtigen Chemie zum Beziehungsstreit sowie für intime Szenen." (Der Standard)
3., 4., 8. 10. und 11. Februar 2023, jeweils um 20.00 Uhr.
Dauer: ca. 1 Stunde 40 Minuten