Dorothea Zeemanns Erbe richtet einen schonungslosen, dabei durchaus humorvollen Blick auf die Verhältnisse einer Wiener Professorenfamilie der Nachkriegsjahre. In drei Akten, die in den Jahren 1945, 1955 und 1960 spielen, animiert Zeemann das Erbe des Zweiten Weltkriegs und die Kräfte, die in den Jahren danach am Wirken sind. In der Regie von Ingrid Lang gelangt das bis vor Kurzem nur im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek als Typoskript vorliegende, nun im Thomas Sessler Verlag erschienene Theaterstück zur Uraufführung.
Dr. Alfons Adler, ein Wiener Psychiater, kehrt 1945 als Überlebender des Holocaust nach dem Zweiten Weltkrieg in amerikanischer Uniform in das Haus seines Vaters zurück, das mittels Arisierung in den Besitz seines ehemaligen Lehrers Prof. Dr. Reitknecht übergegangen war. Er findet kein Zuhause mehr, will dennoch die Suche nach Menschlichkeit nicht aufgeben.
Hedwig, Alfons einstige Geliebte, ist mittlerweile mit Dieter verheiratet, der im Kampf gegen die Alliierten einen Arm verloren hat. Hedwig ist außerdem die Mutter eines siebenjährigen Sohnes namens Otto, der just an diesem Tag seinen Geburtstag feiert. Dr. Adlers Erscheinen löst beim Großteil der Familie großes Unbehagen aus. Was will er denn? Warum kommt er zurück und was passiert jetzt mit unserem Haus? – fragen sie sich.
Zehn Jahre später, 1955, ist der nach wie vor überzeugte Nationalsozialist Prof. Dr. Reitknecht rehabilitiert. Seine Tochter Hedwig erfüllt die Rolle der braven Hausfrau, die die zerrüttete Welt zusammenhält. Irmi hingegen, die verwaiste Nachbarstochter in Hosen (!), ist anders. Gemeinsam mit Otto, dem Enfant terrible der Familie, setzt sie sich mit allen Mitteln der Kunst gegen den vorherrschenden Konservativismus zur Wehr.
(c) Marcel Köhler
Im letzten Akt, der im Jahre 1960 spielt, spitzt sich die spannungsgeladene Situation der Gesellschaft, die sich wieder zu Ottos Geburtstag versammelt, zu. Die Ereignisse überschlagen sich, bisher aufrecht erhaltene beziehungsweise als gegeben erachtete Familienstrukturen zerbersten, Otto und Irmi, die Aufmüpfigen, verlassen das Haus.
Alfons nimmt seine Bücher und geht wieder in die Emigration, wie er sagt. Hedwig bleibt alleine zurück.
Mit dieser Uraufführung einer bereits verstorbenen und in Anbetracht der Vielseitigkeit und Qualität ihres literarischen Werks viel zu wenig bekannten österreichischen Autorin, setzt das Theater Nestroyhof Hamakom die mit Maria Lazars Der Nebel von Dybern begonnene Spielzeit mit einer weiteren bislang kaum gehörten weiblichen Stimme fort.
Vielleicht kann Zeemanns Erzählung über einen Holocaustüberlebenden, der in seiner Heimat Wien vergeblich nach Menschlichkeit sucht und aus dem Bedürfnis nach Sicherheit keine andere Wahl hat als zu emigrieren, auch zum Verständnis der aktuellen Situation österreichischer Jüd*innen beitragen.
Eine gelungene Beschwörung von Geist und Ungeist. Die Presse
Die Uraufführung hat große Wucht. KURIER
Premiere: 11. April 2024, 20.00 Uhr
Weitere Vorstellungen am 13., 14., 19., 20. 24. - 27. April und am 2. – 4., 8. und 9. Mai 2024, jeweils 20.00 Uhr
Nach den Vorstellungen am 19. und 24.4.2024 findet ein Publikumsgespräch statt.
1909 in Wien geboren, wuchs Dorothea Zeemann in ärmlichen Verhältnissen auf, wurde zur Krankenschwester am AKH Wien ausgebildet und heiratete 1929 den akademischen Maler Rudolf Holzinger. Ab 1945 arbeitete sie als freiberufliche Schriftstellerin und Publizistin und veröffentlichte zahlreiche Romane und Erzählungen. Von 1970 bis 1972 war sie als Generalsekretärin des österreichischen PEN-Clubs tätig und ab 1972 Mitglied der Grazer Autorenversammlung. Im Jahre 1989 wurde sie mit dem goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien ausgezeichnet. Sie starb 1993 in Wien.
(c) Heide Heide
14.04.2024, 11.00 Uhr
Bin ich frei – und fasse es nicht? Ein Podiumsgespräch über den Menschen und die Autorin Dorothea Zeemann
Alexandra Millner im Gespräch mit der Autorin Anna Baar und dem Autor und Essayisten Franz Schuh
21.04.2024, 11.00 Uhr
Leben in Latenz. Texte von Dorothea Zeemann
Lesung: Mona Kospach und Veronika Glatzner / Zusammenstellung und Einrichtung: Angela Heide
07.05.2024, 19.00 Uhr
ich suche blumen im benzin. Lesetheaterstücke von Gerhard Rühm vorgetragen von Gerhard Rühm
Text, Zusammenstellung, Vortrag: Gerhard Rühm
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