In seiner im Jahr 2000 im jüdischen Verlag der Bibliothek Suhrkamp erschienenen Studie Instanzen der Ohnmacht, Wien 1938 -1945, der Weg zum Judenrat, stellt Doron Rabinovici die Frage ob die jüdischen Funktionsträger an der Deportation und Ermordung ihrer jüdischen Mitbürger mit schuldig waren. Oder waren nach 1938 die jüdischen Organisationen Instanzen der Ohnmacht, ihre Funktionäre zur Kollaboration gezwungen und Opfer? Konnten die jüdischen Funktionäre der Nazi-Ära über Leben und Tod entscheiden oder waren sie ohnmächtige Werkzeuge der Vernichtungsmaschinerie?
1938 richteten Adolf Eichmann und Alois Brunner Zentralstelle für jüdische Auswanderung ein. Sie erschufen damit ein Modell das in ganz Deutschland kopiert wurde. Die israelitische Kultusgemeinde wurde 1938 aufgelöst und Eichmann und Brunner gründeten die ihnen unterstellte Behörde, die jüdische Gemeinde Wien, später Judenrat. Die Behörde organisierte unter der direkten Kontrolle Eichmanns bis 1942 die jüdische Auswanderung und bereits ab 1939 auf Befehl Eichmanns die Deportationen. Ende 1942 waren praktisch keine Juden mehr in Wien.
Nach 1945 wurden die überlebenden Vertreter der jüdischen Instanzen wenn nicht verurteilt, in ihren eigenen Reihen geächtet. Eine besonders schillernde Figur und ein Paradebeispiel für einen jüdischen Kollaborateur ist der charismatische Wiener Rabbiner Benjamin Murmelstein, der in der Nazizeit als Vertreter des Judenrates in Wien für die Abwicklung der Deportationen zuständig war und als letzter Judenältester in Theresienstadt die Deportationen nach Auschwitz abwickelte.