Small Talk / Rückkehr nach Haifa
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von Ilan Hatsor

Humorvoll-satirisch setzt sich das Stück mit der Diskrepanz zwischen Weltanschauung und Lebensrealität, zwischen Denken und Handeln auseinander: Vor dem Hintergrund des israelisch-palästinensischen Konfliktes entfaltet sich eine Familiengeschichte über hehre Friedensziele, Lebenslügen und scheinbar historisch legitimierte Besitzansprüche.

Die israelische, aufgeklärt liberale Familie Barnea bekennt und engagiert sich hoffnungsvoll für die Friedensbewegung in Israel und eine akzeptable Lösung für die Palästinenser, welche zur Zeit der Handlung des Stücks in Camp David (2000) auf hoher politischer Ebene verhandelt wird. Das Ehepaar Moris und Amalia, zwei anerkannte Wissenschaftler, zählt zur intellektuellen Linken und legte auch in der Erziehung ihrer zwei mittlerweile erwachsenen Kinder höchsten Wert darauf, die Idee von einem respektvollen, gerechten und friedlichen Zusammenleben weiterzugeben. Von der Einladung des Moses Ablini, Professor an der Yale University, in ihr Haus verspricht sich Moris Vorteile für seine Karriere und auch die vorerst skeptische Amalia hat recht bald Hoffnung durch seine Vermittlung einen wichtigen Fortschritt für ihr Forschungsprojekt zu schaffen. Als sich herausstellt, dass der Professor Palästinenser ist und im Kindesalter in die USA kam, verlieren die Gastgeber keine Zeit, ihre wohlwollende politische Gesinnung zu präsentieren.

Nicht zuletzt ausgelöst durch die Anwesenheit des Professors, treten allerdings verschiedene innerfamiliäre Konflikte zu Tage, an denen so mancher unklarer und inkonsequenter Standpunkt im nicht ganz stimmigen Konstrukt ihrer Weltanschauung ablesbar wird. Selbstkritisch weist Ilan Hatsor schon mit dem Untertitel "Small Talk" - smol bedeutet im Hebräischen links oder auch die politische Linke, das Wortspiel meint den "Talk der Linken" - auf die Floskelhaftigkeit des intellektuellen linken Diskurses der Friedensbewegung hin und entlarvt den selbstgerechten Versuch, Dinge im bloßen Reden schon geklärt zu haben, ohne Entscheidungen und Taten folgen zu lassen.

Die Geschichte eskaliert mit dem Hereinbrechen der politischen Frage der Rechte der Palästinenser in den privaten Lebensbereich der Familie. Ablini gibt sich als früherer Bewohner des prachtvollen Hauses zu erkennen und manifestiert den Wunsch nach einer symbolischen, moralischen Anerkennung durch die Familie Barnea für den verlorenen Besitz seiner Eltern. Die eigene Karriere, gesellschaftliche Anerkennung und Privatbesitz stehen der konsequenten Verteidigung und realen Umsetzung ideeller Ziele und postulierter Werte gegenüber. Wenn die Illusionen zerbrechen, geht es am Ende, scheint es, immer nur um erbärmliche Dispositionen im Menschlichen. Das Stück macht deutlich, dass Grundfragen historisch belasteter Themen nicht aus der "sicheren Ecke" beurteilbar sind und wie schnell aus unbeteiligtem Politisieren zwischenmenschliche Unaufrichtigkeit entstehen kann. Der familiäre Präzedenzfall wirft die Frage auf, wie politisch das Private und wie privat Politik ist.

PRESSESTIMMEN:

„Der schöne und bisher nur zum Teil renovierte Jugendstilraum samt seiner Galerie im Obergeschoß bot dem Herzstück von Hatsors Drama eine ideale Fläche“ (Der Standard)

„Das Stück entstand in einem Moment, als Frieden zwischen Israelis und Palästinensern greifbar war, übersetzt Hoffnung und Scheitern in den privaten Rahmen und involviert so auch die Zuschauer“ (Der Falter)

PREMIERE:
November 2009
AUTOR:
Ilan Hatsor
REGIE:
ENSEMBLE:
Doina Weber, Fritz Hammel, Eduard Wildner, Anwar Kashlan und weitere
BÜHNENBILD & KOSTÜME:
Vanessa Achilles-Broutin
EINE PRODUKTION DES THEATER NESTROYHOF HAMAKOM