2014

Sonia Mushkat
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von Savyon Liebrecht

" Dieses Stück handelt nicht im Geringsten vom Holocaust. Die kodierten Themen des Holocaust sind nicht vorhanden. Es ist eine jüdische Familie, aber eine sehr ungewöhnliche: Es gab reiche Juden, aber keine in dem Sinne dekadente Aristokratie. Als ich das Stück schrieb, wollte ich wissen was passiert, wenn sich die Opferrollen umkehren, wenn der Starke der Schwache wird. Es ist eine Geschichte, die überall spielen könnte, wo Menschen sich verstecken müssen. Was zwischen ihnen vorgeht, ist nichts Jüdisches und nichts Deutsches. Es ist darüber, wie sich Menschen verhalten, wenn ihre Lebensumstände sich drastisch verändern. Die schöne Fassade, die sie oben aufrechterhalten, fällt, wenn sie im dunklen Keller sitzen. Die Tatsache, dass draußen Krieg herrscht, ändert nichts Wesentliches in der menschlichen Psyche. " (Savyon Liebrecht)

Der Keller eines ungarischen Herrenhauses, 1944: Die Schwestern Paula und Lidia, aus der reichen jüdischen Familie Mushkat, sind mit Lidias Sohn Albert vor den Nazis in den Untergrund geflüchtet, in das Untergeschoss des eigenen Hauses.

Dort versuchen sie sich provisorisch einzurichten bis die akute Gefahr von der Gestapo ins Ghetto und von dort nach Polen -in ein Vernichtungslager- geschickt zu werden, vorüber ist.

Sonia, das Dienstmädchen eines befreundeten Rechtsanwalts, soll die Versteckten in den lebenspraktischen Dingen unterstützen, denn selbst im Krieg und in Lebensgefahr kann man sich im Hause Mushkat ein Leben ohne Bedienstete nicht vorstellen.

Zunächst sind die Hierarchien im Keller klar: Sonia wird -insbesondere von der verwöhnten Lidia-  mit geübter, reichlich sozialsnobistischer Übertreibung als Untergebene behandelt: ihr wird der zugige Schlafplatz und die dünnste Matratze zugewiesen, ein Fehlgriff wird mit der Verbrennung ihrer Hände bestraft. Das kaum gebildete Bauernmädchen hat sich dem Schicksal ihrer Schicht zu unterwerfen.

Im Kampf gegen ihre Peiniger nimmt Sonia Mushkat Stück für Stück die Fratze ihrer Unterdrücker an. Verhalten, Missverhalten und Entfremdung, Sonia Mushkat schlüpft mehr und mehr in die Rolle derer, die sie hasst.

Eben diese Struktur, das Annehmen, Festhalten, ja Festkrallen an den Charaktermasken, bei gleichzeitigem Aufbegehren gegen dieselben, macht Savyon Liebrechts Theaterstück zu einem faszinierenden Text, der im Theater Nestroyhof Hamakom eine wunderbare Stätte zur Entfaltung findet.

MIT
Babett Arens
Katharina-Sara Huhn
Dominik Raneburger
INSZENIERUNG
RAUM
Lydia Hofmann
KOSTÜM
Lucie Strecker
DRAMATURGIE
Jerome Junod
LICHTGESTALTUNG
Stefan Pfeistlinger