Zwei Männer, die keine Zuweisung in diesem Zusammensein haben. Zwei Selbstgespräche, die sich ineinander verketten. Zwei Orte, die minimalistisch und raumlos sind. In Tanzcafé Treblinka ist nichts ohne hypothetisch geordnete Unordnung.
Das reversible nebeneinander der Seinswelten, die sprach-musikalische Wiederholung der Worte oder die akribische Schichtung der Ereignisse: das sind Werner Koflers Werkzeuge für einen Text über die alten Verbrechen in neuen Spielformen, für einen Text, für den er die Begebenheiten kaum erfinden muss. Es gibt den Kriegsverbrecher, der nach dem Krieg ungestraft bleibt und jahrelang das Tanzcafé Lerch betreibt; es gibt die Beachvolleyball-Weltmeisterschaft, die die Köpfe besetzt und riesige öffentliche Gelder verschlingt.
Das eingebildete Nichtgewussthaben und das beschränkte Nichtwissenwollen treffen in der Form eines älteren und eines jüngeren Mannes zusammen. Der Ältere doziert mit einer widerlichen Genauigkeit über die Heldentaten während der Einsätze für den Führer und über die Einzelheiten der Vernichtungslager. Er schwärmt erhaben lächelnd über die genussvollen Abende in einer entbehrungsreichen Zeit. Die darauf folgende Rede des Jüngeren bezeugt das starrköpfige Desinteresse und die ignorante Verachtung, die er dieser Vergangenheit entgegenbringt. Er beschwört stumpfsinnig-aufmüpfig die heiligen Events seiner dynamischen Generation; Er repetiert gleichsam die Codes eines hysterisierten Vergnügungssystems und einer kanalisierenden Ablenkungsmaschinerie.
Tanzcafé Treblinka liest sich wie eine Lektion in Geschichte. Werner Kofler kommt aber ohne narrative Psychologie aus, er muss keine Geschichten erzählen. Er unterlegt vielmehr das Dokumentarische mit zwei Kunstfiguren und ihren komplementären Denkhaltungen, von denen man sich nicht so einfach distanzieren kann. Es wäre zu einfach, die beiden als den 'Ewiggestrigen' und den 'Jung-Nazi' zu bezeichnen; sie stehen eher für einen ambivalenten Umgang mit Sprache in Bezug auf Geschichte. Die subtil-lächerlichen Verschiebungen des Älteren und sein Umdeuten von historischen Fakten finden sich auch im Kulturteil angesehener Zeitungen und erinnern an salonfähige Sprachhaltungen, die die NS-Verbrechen relativieren. Auch des Jüngeren emotional herausgeschrieene Genug wird oft schnell bemüht und weist auf die immer noch existierende Ratlosigkeit in der Auseinandersetzung mit belasteter Vergangenheit.
"Kunst muß die Wirklichkeit zerstören, so ist es, die Wirklichkeit zerstören statt sich ihr unterwerfen.... Aber das Entsetzliche, müssen Sie wissen, das Entsetzliche ist: Die Wirklichkeit macht ungeniert weiter, die Wirklichkeit schert sich keinen Deut um die Zerstörung, die ihr in der Kunst zugefügt wird, die Wirklichkeit ist schamlos, schamlos und unverbesserlich ..."
(Werner Kofler)
PRESSESTIMMEN:
Die Sätze bohren sich in die Gehirne des Publikums, werfen dort ungelöste Fragen nach dem Verdrängen und Vergessen der Nazigeschichte auf.
Zu einem Ereignis wird das durch die beiden Darsteller: Erni Mangold – sie feierte am Premierenabend ihren 83. Geburtstag – brilliert als melancholische, zornige, naziliedersingende und mozarthörende Zeitzeugin. Kaum weniger beeindrucken kann Hanno Koffler als sprachloser, phrasendreschender, zerstörerischer – und beachvolleyballspielender Kärtner Zeitgenosse. (Die Presse)
Die Worte allein wären stark genug, um den Abend zu tragen. Die beiden Akteure tragen das ihre dazu bei, dass sich im Betrachter heftige Empfindungen - bis zum Lachen – regen, nur kleine Betroffenheit. 80 kurze und schmerzvolle Minuten, nach denen man nicht zuletzt ein bisschen mehr weiß. (Der Falter)
Ein starker, wichtiger Abend (Kurier)