Geschichte

1898
Der Nestroyhof wird im zweiten Wiener Gemeindebezirk, der aufgrund seiner vorwiegend jüdischen Bevölkerung „Mazzesinsel“ genannt wird, vom jüdischen Wiener Architekten Oskar Marmorek, einem zionistischen Wegbegleiter Theodor Herzls, erbaut.

1899
Das Café Reklame im Etablissement Nestroy-Säle wird eröffnet und mit Wirtshaus, Bierhalle und Restaurant im Wintergarten bald zu einem der bekanntesten Vergnügungsetablissements Wiens.

1904 – 1907
Das „Intime Theater“ unter der Leitung von Felix Fischer und Oskar Friedmann bespielt den Theatersaal des Hauses als literarische Kleinbühne und bringt unter anderem Stücke von Maxim Gorki und August Strindberg zur Österreichischen Erstaufführung.

1905
Karl Kraus' Theatergruppe „Trianon“ bringt Frank Wedekinds Die Büchse der Pandora mit Adele Sandrock, Egon Friedell und Frank Wedekind selbst zur Österreichischen Erstaufführung. Auch Karl Kraus steht auf der Bühne.

ab 1905
Die Jugendstilräume werden regelmäßig auch als Kino/Lichtspielhaus genützt.

1907 – 1938
Im Keller des Nestroyhofs befindet sich die „Tanzbar Sphinx“, eine der beliebtesten Wiener Nachtbars der Zeit.

ab 1907
Emil Richter-Roland und Josefine Richter-Roland übernehmen Ende 1907 die Bühne und den Begriff „Intimes Theater“. Unter ihrer Leitung werden hauptsächlich erotische Zoten und leichte Unterhaltung gezeigt. Ab 1914 führt Josefine Richter-Roland das Theater alleine.

1927 – 1938
Jakob Goldfließ leitet die „Jüdischen Künstlerspiele“ im Theater Reklame im Nestroyhof. Das Programm der „Jüdischen Künstlerspiele“ konzentriert sich auf Themen wie Zionismus, jüdische Identität und Antisemitismus. Unter Goldfließ' Leitung finden zahlreiche Gastspiele internationaler jiddischer Gruppen aus Budapest, Warschau, Wilna und Galizien statt. Schauspieler*innen des Schwartz'schen Kunsttheaters / New York, Laura Glücksmann, Adolf Bell, Cilly Bell und Isaak Deutsch treten u.a. im Theater Reklame auf.*

1938
Mit dem „Anschluss“ im März 1938 nimmt das gesamte jüdische Kultur- und Theaterleben ein jähes Ende. Die „Jüdischen Künstlerspiele“ im Theater Reklame werden von der Gestapo geschlossen.

1939 – 1945
Der Nestroyhof wird während des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt.

1940
Der Nestroyhof wird „arisiert“ und an die Industriellenfamilie Polsterer vergeben.

1952
Ein außergerichtliches Restitutionsverfahren führt zu einer Einigung zwischen den Erben der letzten Besitzerin Anna Stein und der Familie Polsterer, die bis heute Eigentümer des Gebäudes ist. 

bis 1975
Das „Nestroy-Kino“ zeigt bis zu drei Filmvorstellungen täglich. Über den Kinobetrieb in den Jahren 1938 – 1965 ist wenig bekannt.

1975 – 1997
Im Nestroyhof befinden sich Supermärkte unterschiedlicher Ketten. Der Theatersaal wird mit eingezogener Zwischendecke als Lager verwendet.

1997 – 2007
Der Theatersaal des Nestroyhofs wird „wiederentdeckt“ und erneut für kulturelle Zwecke genützt.

2009
Das Theater im Nestroyhof wird als Theater Nestroyhof Hamakom eröffnet.


* Vgl. Brigitte Dalinger, Verloschene Sterne. Geschichte des jüdischen Theaters in Wien, Wien Picus-Verlag 1998, 92, zit. in: Theresa Dienstl, Jüdisches Theater in Wien in den 1930er – Vermittlung jüdischer Identität, Diplomarbeit Universität Wien, 2013, 67.